Radeln ohne Alterslimit

Kat. Allgemein, Lebensqualität

Älteres Paar auf einem Rikscha-artigen Fahrrad

Alt werden heisst für viele Menschen, auf geliebte Hobbies verzichten zu müssen. Dazu zählen Sportaktivitäten, Handwerk und alles, wo man gut bewegliche Hände und intakte Sinne braucht. Radeln im Alter? Für viele Menschen in unserem Kulturraum angstbehaftet.

Der Kopenhagener Ole Kassow änderte das. 2012 rief er ein Programm ins Leben, um ältere Dänen für Fahrradausflüge zu begeistern. Das ist besser als selber Radeln. Man wird durch die Landschaft gefahren und geniesst alle Vorteile des Fahrradfahrens.

Kassow konnte mit seiner Idee Freiwillige in 42 Ländern begeistern. Die radeln jetzt mit ihren Passagieren durch kleine, mittlere und große Städte.

Es begann alles mit einer freundlichen Geste. 2012 führte der tägliche Weg in die Arbeit Ole Kassow an einem Pflegeheim vorbei. Jeden Morgen sah der Unternehmensberater den stilvoll gekleideten 97-jährigen Thorkild, der ihn von einer Bank aus begrüßte.

Kassow fragte sich, wann dieser Mann wohl das letzte Mal Fahrrad gefahren sei. „Da die meisten Kopenhagener das Radfahren lieben, ging ich davon aus, dass er es lieben würde, wieder in seine Gemeinde zu gehen, mit seinen Nachbarn in Kontakt zu treten und etwas zu tun, das er wahrscheinlich schon immer in seinem Leben getan hat“, erzählt Kassow. So holte sich der Unternehmensberater vom Pflegeheim die Erlaubnis, Seniorien mit einer gemieteten Fahrradrikscha auszuführen.

Diese Fahrt führte letztendlich dazu, dass Kassow die gemeinnützige Initiative „Cycling Without Age“ (https://cyclingwithoutage.org/) gründete. Übersetzt bedeutet das ‚Fahrrad fahren ohne Alterslimit“. Was klein begann, hat sich bis heute in 42 Ländern weltweit etabliert.

Drei Fotos von Senioren in Fahrradrikschas

Schon die ersten Fahrten führten zu spannenden Geschichten und viel guter Laune. Nachdem Kassow den 97jährigen Thorkild mit der Fahrradrikscha spazieren fuhr, erhielt er am nächsten Tag einen Anruf, ob er das auch mit anderen Pflegeheimbewohnern machen würde. Diese Ausflüge wurden schnell Teil von Kassows Alltag. Kassow: „Das bot den Senioren eine neue Form von Mobilität und mir einen erstaunlichen neuen Einblick in meine Stadt“. Auf einer Fahrt deutete Thorkild auf eine alte Kaserne vor dem Schloss Rosenborg und rief in Richtung Kassow: „Ich habe dort gewohnt“. Es stellte sich heraus, dass Thorkild 1938 bei der königlichen Garde gewesen war.

Die Angestellten des Pflegeheims berichteten Kassow, dass die Senioren immer fröhlich, gesprächig und gesellig von Fahrradrikscha-Ausflügen zurückkehrten. Inspiriert vom positiven Feedback bat Kassow die Stadt Kopenhagen, eine Fahrradrikscha für das Pflegeheim zu finanzieren. Die Stadt bot mehr: fünf Fahrradrikschas für fünf Pflegeheime. Kassow war so begeistert, dass er mit Freunden und Familie eine Mini-Parade veranstaltete, um die Flotte vorzuführen. „Plötzlich hatten wir 30 freiwillige Helfer, die sich anmeldeten, um die Fahrräder zu lenken.“ Im Oktober 2013 erhielt Kassow seine erste Anfrage aus Oslo in Norwegen und bald ging das Konzept global.

Das Ziel von Kassow und seinem Team

Am wichtigsten ist Kassow, die Barrieren für Mobilität und Aktivität abzubauen, mit denen so viele Senioren konfrontiert sind. Ein Kapitel im kanadischen New Brunswick führt Senioren auf Naturfahrten in der Nähe der Appalachen. On Oshkosh, Wisconsin, dienen Polizei und Feuerwehr als Radfahrer; In Island sind die Fahrradrikschas mit Spikereifen ausgestattet, um auf eisigen Oberflächen zu navigieren. Weltweit gibt es mittlerweile über 15.000 freiwillige „Piloten“.

Aus Fremden Freunde machen – und Familien näher zusammenbringen.

Die 37-jährige Pernille Bussone, die vor zwei Jahren Kassows Konzept in Singapur lancierte, hat sich mit der 87-jährigen Annie, einer ihrer regulären Passagiere, befreundet. „Mit der Fahrradrikscha kommen wir fast überall hin“, sagt Busson. „Anders als mit einem Rollstuhl können wir so ausgedehnte Ausflüge machen.“ Die Freundschaft der beiden Frauen geht über das Fahrrad hinaus: „Annie hat mir beigebracht, peranakanisches Essen zu kochen (so hiess die Küche chinesischer Migranten, Mahjong zu spielen und mein Haus sauber und mit einer Zitronentinktur ameisenfrei zu halten“, fügt Busson hinzu.

Nicht nur Senioren profitieren

Die Piloten lernen auch einiges. „Ich habe Orte gesehen, die ich nicht kannte, und ich habe etwas über die Geschichte der Region erfahren“, sagt Ditte Jakobsen, Leiterin von Cycling Without Age in Capbreton, in Frankreich. Die Dänin freute sich darauf, die Fahrradkultur ihres Landes nach Frankreich zu bringen und ihr neues Zuhause zu erkunden.

Ihre Lieblingsfahrt war jedoch mit der 103-jährigen Juliette, um das Meer zu sehen. Als das Wetter unerwartet kalt wurde, drehten sie fast um, aber dann erinnerte sich Jakobsen an einen nahegelegenen Trödelladen. Das Personal schenkte Juliette einen Schal und einen Pullover. Als die zwei wieder aufbrachen, meinte Juliette, dass sie noch nie in einem Secondhand-Laden gewesen sei. Jakobsen sagt: „Wir beide haben so viel gelacht. Stellen Sie sich vor, Sie sind 103 Jahre alt, um immer noch Neues zu entdecken. Das ist fantastisch.“

Das universelle Versprechen des Radsports:

Auch Sie haben „das Recht auf Wind in den Haaren“, wie es das Leitbild der Gruppe steht. Während die Organisation in der ganzen Welt expandiert, sind die Fahrten in Kopenhagen immer länger geworden. Die Mitglieder begaben sich im Juni 2016 auf eine Reise von Rønde (Dänemark) nach Arendal (Norwegen). Insgesamt waren 17 Passagieren und 20 Piloten dabei. Diese Reise wurde Gegenstand des Dokumentarfilms ‚The Gray Escape‘:

https://vimeo.com/ondemand/thegreyescape/170594538?autoplay=1.

Fünf Tage und vier Nächte lang aßen, radelten und sangen Passagiere und Piloten. Sie beendeten ihre Reise mit einem Geschenk: Sie lieferten 10 Fahrradrikschas in die Stadt Arendal. Die Kopenhagener Gruppe hat bisher mehr als 20 Fernreisen unternommen. Wir haben festgestellt, dass lange Fahrten erhebliche positive Auswirkungen auf die älteren Bewohner, die Piloten und das Pflegeheim haben“, sagt Kassow. „Wir organisieren zwei oder drei Monate später Wiedervereinigungen, und auch die Demenzkranken erinnern sich an die Reise und sprechen darüber. Sie blühen auf, lächeln und singen zu den Liedern, die wir auf der Fahrt gespielt haben.“

Kassow ist begeistert von der weltweiten Verbreitung seines Programms. „Ich denke, Cycling Without Age spricht so viele verschiedene Kulturen an. Es appelliert an die grundlegende menschliche Freundlichkeit. Es fördert Gemeinschaft und Beziehungen über Generationen hinweg. Und es geht ums Radfahren, das auf der ganzen Welt an Popularität gewinnt.“


Link ÖSTERREICH: https://radelnohnealter.at/

Link DEUTSCHLAND: https://radelnohnealter.de/

Link TEDtalk: https://www.youtube.com/watch?v=O6Ti4qUa-OU

https://www.facebook.com/DavidAvocadoWolfe/videos/10154711180561512/