Das Alter, die Kreativität und die Kunst

Kat. Allgemein, Kunst und Kultur

Carmen Herrera

Wir untersuchen Entwicklungen im späten Lebensalter und erforschen die Stärken und Möglichkeiten des Alters, die sich in der Kreativität und Kunst älterer Künstler*innen und des älteren Kunstpublikums manifestieren.

Kreativität hört im Alter nicht auf

Geistesfähigkeiten höherer Ordnung, die mit Kreativität in Verbindung stehen, wie Imagination und Problemlösung, bleiben bis spät im Leben bestehen. Die körperlichen, sensorischen, mentalen und zwischenmenschlichen Kompetenzen älterer Menschen können durch die Beschäftigung mit den Künsten sogar immens verbessert werden. Die Obsession der Kunstwelt gegenüber der Jugend schwindet. Der zunehmenden Verfügbarkeit von jungen aufstrebenden Talenten überdrüssig, wenden sich Sammler, die auf der Suche nach größerer Substanz sind, verstärkt Künstlern zu, die 80 Lenze und mehr zählen.

Viele dieser Künstler-Senior*innen machten sich in den 1960er und 70er Jahren auf, um – von der Politik der Frauen-, Rassen- und Geschlechtsidentität angetrieben – existierende Medien zu verändern und neue zu erfinden. Durch das Experimentieren mit aufstrebender Technologie und unkonventionellen Materialien, zu denen auch die eigenen Körper gehörten, öffneten sie die Tür für einen Großteil der heutigen Videos, Performances und digitalen Kunstwerke.

Kommerzieller Erfolg mit 89

Das auffälligste Beispiel dafür ist wahrscheinlich die Malerin Carmen Herrera, die am 31.5.1915 geboren wurde. Carmen Herrera ist die älteste zeitgenössische Künstlerin, die heute arbeitet. Die gebürtige Kubanerin und ausgebildete Architektin arbeitet seit über 60 Jahren in New York. In der zeitgenössischen Kunstszene trat sie erst 2009 auf, als sie eine aufsehenerregende Einzelausstellung im englischen Birmingham erhielt. Es folgte eine weitere Einzelausstellung in der Londoner Lisson Gallery und im Whitney Museum of American Art.

Das Außergewöhnliche an Herrera ist, dass ihr ‚kommerzieller Erfolg‘ erst Anfang der 2000er Jahre kam; nach sieben Jahrzehnten als Künstlerin. Sie verkaufte ihr erstes Bild, als sie 89 Jahre alt war. Die Netflix-Dokumentation The 100 Years Show berichtet über die Pionierin des Minimalismus in der Malerei, Carmen Herrera. Foto von Matthew Carasella.

Carmen Herrera
Copyright Todd Heisler

Jugendfrisch und altersweise

Die Österreicherin Maria Lassnig war 94 Jahre jung, als sie im Mai 2014 verstarb. Lassnigs Arbeit diente als Inspiration für Künstler, Dichter, Gelehrte, Filmemacher und Kunstliebhaber. Sie „bewohnte“ ihre Arbeit, war eins mit ihrer Arbeit, so sehr, dass sie sich nicht gerne von ihren Bildern trennte, wenn eine Ausstellung geplant war. Galerist Friedrich Petzel meinte, Lassnig fühlte sich buchstäblich exponiert, missverstanden oder schlimmer: ignoriert.

Das „kleine Mädchen vom Land“ wollte niemals, dass ihr Alter zum Thema der öffentlichen Betrachtung über ihre künstlerische Arbeit wird. Im Gegenteil, jüngere Maler bewunderten vor allem Maria Lassnigs strenge, selbstbewusste und intime Bilder. Kunstmessen haben wesentlich zum Wiederaufleben älterer Künstler beigetragen, indem Händlern eine Plattform geboten wurde, um wenig bekannte Werke in einem aktuellen Kontext zu präsentieren.

Maria Lassnig
Maria Lassnig – Copyright Sepp Dreissinger

Alter hat viele Facetten

Der New Yorker Galerist Alexander Gray, 44, arbeitet fast ausschließlich mit Künstlern im fortgeschrittenen Alter. Sein Künstler-Portfolio umfasst den Maler Jack Whitten, der 2018 mit 78 Jahren verstarb und Joan Semmel, 87; der Bildhauer Melvin Edwards, 82; und die 85-jährige Konzept- und Performancekünstlerin Lorraine O’Grady.

„Jeder meiner Künstler hat einen starken Einfluss auf die jüngere Generation“, sagt Gray. „Es gibt nicht viel junge Kunst, die mich jetzt interessiert. Die ist in meinen Augen stets sehr zynisch. Also schaue ich auf diese älteren Künstler, die mehr existenzielle Fragen stellen.“

Kunstwerk von Jack Witten
Künstler Jack Witten – Copyright Foto Genevieve Hanson

Noch wird der Alterungsprozess in der öffentlichen Wahrnehmung in erster Linie als Defizit angesehen. Begriffe wie „Anti-Aging“ vermitteln den Eindruck, Altern sei etwas Pathologisches. Zum Glück wird immer mehr älteren Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne geboten, denen es gelingt, Chancen und Grenzen des Alterns jenseits von Altersverklärung und Pessimismus differenziert wahrzunehmen. Sie zeigen, wie das Alter mit all seinen Facetten auf wertschätzende Weise in unser Leben integriert werden kann.


WIR wecken Potenziale

Wir helfen bei der Entdeckung von Talenten und Potentialen.

Rufen Sie uns an – Wir erzählen Ihnen gerne mehr darüber! Rosa Maria Eglseer: 0676 77 86 511 http://www.ez-akademie.at